German Review of Granita
This review by Rigobert Dittmann was published on Bad Alchemy BA 73 in 2012
Was in einem Wort alles stecken kann. LAPSLAP hat seine vierte LEO-CD Granita (LR 636) gleich dreifach codiert – als italienische Süßspeise; als die auf dem Cover abgebildeten Granitfelsen, die die Tiroler Pianistin und Synthesizerspielerin Karin Schistek in Cornwall fotografierte; und als das Restaurant in Islington, London, das 1994 Schauplatz des ‘Blair-Brown Deals’ gewesen ist (worüber Stephen Frears 2003 The Deal drehte). Ironischerweise heißt dieses Granita inzwischen Desperados. Schistek und ihre Partner Michael Edwards und Martin Parker an Tenor- & Sopranosaxophonen bzw. Flügel- & Waldhorn sowie Electronics haben diesmal in Edinburgh aus Improvisationen durch Postproduction ein einstündiges Ganzes gefügt, das auch als Ganzes
gehört werden soll. Also nicht als Folge von Improvisationen, sondern als elektroakustisches Gefüge, als Soundscape, als Layer Cake, als (verflüssigte, verzeitlichte) Gesteinsschichten. Klänge und Effekte im Innenklavier oder per Zungenschlag, mit Clavia Nord, Laptop und Midi Wind Controller schieben sich als Sonic Fiction langsam und geheimnisvoll ins Bewusstsein. Die Versteinerungen im Kopf werden von Schistek wie mit Meiselhieben zersplittert. Durch Verdichtung und Verdampfung verlebendigt, bekommen sie ‘Geschmack’, den Geschmack von Abenteuern, auch von unguten, die sich als Schmauchspur, oder, wie zermalmt, als Katastrophenhorizont sedimentieren. Wen es juckt, der soll sich kratzen. Kein Grund, deswegen in den Irak einzumarschieren. ‘Pinch’ kneift den träumenden Verstand, der Phantasmen ausbrütet, die ihn schon als giftige Ausgeburten umschwärmen. ‘Tickle’ wirbt dafür, das Ohr an die Dinge zu legen und in deren Inneres zu lauschen, ihrem Atem, ihren Gegenträumen, die bei ‘Tickle’-Finale mit lang gezogenem Ruf Laut geben. ‘Breeze’ lässt die Töne als winzige Friedenstruppe an Löwenzahnschirmchen dahin schweben. Und ich schwebe mit. [BA 73 rbd]